Ihr direkter Weg zur Lösung: phone+49 (0) 6196-768 1108

Organisation, Funktion
und Veränderung

Gabriele Wittendorfer

Sogar der alleinschaffende Kunsthandwerker wird bei der Einschulung der Kinder oder bei einem entzündeten Blinddarm auf die Arbeitsteilung in unserem Bildungs- oder Gesundheits-System treffen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wird der Kunsthandwerker zum Elternteil, vielleicht sogar zum Elternsprecher der Klasse. Er wird zum Patienten oder zum Patientenverwandten. Alle vier zufällig ausgewählten Rollen machen aus dem Menschen einen Akteur, der in der jeweiligen Organisation zugewiesene Handlungsmöglichkeiten hat. Während er als Kunsthandwerker ohne jemanden zu fragen mit einem neuen Material oder einer neuen Methode experimentieren kann, können das im Krankenhaus maximal die Oberärztin und in der Schule der Lehrer tun. Jetzt kommt die mit organisatorischen Rollen einhergehende Macht ins Spiel. Gerne in Gestalt ihrer harmloser klingenden Schwestern: Zuständigkeit, Kompetenz oder Mandat.

Die meisten von uns werden sich lieber von einem Arzt als von einem Kunsthandwerker operieren lassen. Und dass, obwohl sie weder den Arzt noch den Kunsthandwerker persönlich kennen. Genau das leisten Organisationen und die mit ihnen verbundene Rollen: Wir verlassen uns darauf, dass unsere funktionalen Erwartungen an diese Rolle erfüllt werden. Und diese Erwartung wird meist erfüllt – allen Unkenrufen zum Trotz.

Es gehört seit Anbeginn an zur Erfolgsgeschichte von Organisationen, dass sie Machtverhältnisse stabilisieren und Unsicherheiten reduzieren.

Wenn der Patient der Chirurgin sagt, wie sie das Skalpell halten soll oder die Mutter dem Lehrer seine Fragestellung in der Geschichtsarbeit kritisiert, dann werden zwei soziale Dynamiken losgetreten:

  1. Die mit der Rolle verbundene funktionale Leistung wird „ohne Mandat“ kritisiert.
  2. Die mit der Rolle einhergehende Macht wird delegitimiert.

In letzter Konsequenz liefern irgendwann Krankenhäuser keine Gesundheit und Schulen keine Bildung mehr. Ja, das ist jetzt übertrieben, aber ein unterschätzter Begründungszusammenhang für die aktuell exzessive Regelungswut. Wir schaffen immer mehr „Bürokratielasten“, weil Regeln die systemimmanente Reaktion auf Kritik und Delegitimation in Organisationen ist.

Wie also können sich Organisationen verändern und trotzdem noch Unsicherheit reduzieren?

Wie können Organisationen, die den Einzelnen über Hierarchie und Rollen entlasten, den Anforderungen einer Gesellschaft gerecht werden, in der die Erwartungshaltungen immer individueller, affektiver und volatiler werden?

Die kurze Antwort liegt in der Negation: Nicht, indem man die Entlastung durch organisierter Machtverhältnisse und die Verlässlichkeit von Rollen negiert. Die dann freigesetzten Zentrifugalkräfte führen schnell zur Dysfunktionalität der Organisation und verstärken damit die allgemein wahrgenommene Unsicherheit.
Ausführlicher wird es bei der Frage, welche Organisationsmerkmale für die Anpassung an die Beschleunigung der Welt taugen könnten. Organisationen sind soziale Systeme und unterscheiden sich damit maßgeblich von technischen oder rechtlichen Systemen. Sie haben zahlreiche, oft nur in Ausnahmesituationen sichtbare Kopplungs-“Mechanismen“. Diese sind alles, nur nicht mechanisch. Es geht immer um Austauschprozesse, bei denen zwischen dem Gebenden und dem Nehmenden ein Dazwischen ist, so dass Zufall und Unbestimmtheit eine Rolle spielen. Hier kommt das Ungeplante und Schnelle in die Organisation, die als solche ihre Funktionen beibehält. Und hier können wir ansetzen, wenn es um Veränderung geht.

Wer also neue Interaktionsmuster in die Organisation einbettet, schafft ein produktives Spannungsverhältnis von Veränderung und Stabilität.

BeratungaufdenPunk
Konkret.
Organisationsberatung