Dabei gibt es spätestens seit Frederick Winslow Taylors „wissenschaftlicher Betriebsführung“ im 19. Jahrhundert ausreichend dokumentierte Empirie: Arbeitsteilung vs. Integration von Arbeitsschritten, Zentralisierung vs. Dezentralisierung von Funktionen, vielen Outsourcings folgt wieder ein Insourcing, Matrixorganisation, Projektorganisation, Netzwerkorganisation etc. Heute natürlich super agil.
Grundsätzliches vorab:
Organisation ist also eine Daueraufgabe, und die ist übrigens nicht in Organisationsabteilungen angesiedelt, sondern gehört dorthin, wo die Verantwortung für das Ergebnis des täglichen Miteinanders liegt. In klassischen Organisationen gibt es dafür die Rolle der Führungskräfte, in selbstorganisierten Kooperationsmodellen muss diese Aufgabe rein ins Team.
Ich sehe nun wahlweise die weit aufgerissenen Augen des Erschreckens („Um was sollen wir uns denn noch alles kümmern!“) oder das unterdrückte Gähnen („Unser letztes Prozesshandbuch liegt mit 180 Seiten verstaubt in der Schublade…“) aller derjenigen, die keine Lust auf dieses Thema haben, es aber implizit tun: Unverdrossen und mit viel Aufwand führen sie ERP Systeme ein (cloudbasiert oder nicht), lassen ihre Mitarbeiter*innen in den Großraum umziehen (mit Tischkicker natürlich), um danach gleich die Mediatorin buchen zu müssen oder stopfen ihren Kalender mit unendlichen Besprechungen voll, bei denen nicht viel herauskommt. Man kann nicht nicht organisieren.
Organisation heute macht nicht am Betriebstor halt
Organisationen sollten die Infrastruktur der Zusammenarbeit bilden ohne dabei zum „stählernen Gehäuse der Bürokratie“ nach Max Weber zu werden. In Zeiten digitaler Kollaborationsplattformen kann jeder wissen, welche Information er und sie wo finden kann und bereitstellen muss. Kommunikation findet nicht mehr im stillen Kämmerlein, sondern in der für das jeweilige Thema relevanten Öffentlichkeit statt, die immer häufiger über die Organisationsgrenzen hinausgeht. Plattformen mit echtem Mehrwert ersparen uns so manche Verwaltungsvorschrift.
Beispiel gefällig? https://chemondis.com/ Dieser Marktplatz für chemische Produkte wird von Lanxess betrieben, auch mit Produkten der Konkurrenz.
Organisation heute denkt über die eigenen Mitarbeiter*innen hinaus
Organisationsstrukturen schaffen Orientierung, ganz ohne abgeschlossene Funktionsboxen. Das ist notwendig, wenn viele über den ganzen Erdball zusammenarbeiten, gerade in unseren schnelllebigen Zeiten. Statt wildem Aktionismus schafft postheroisches Management die Voraussetzungen für interdisziplinäre, kompetenzbasierte Zusammenarbeit.
Beispiel gefällig? https://www.brightsolutions.de/ Diese Full-Service Digitalagentur setzt voll auf virtuelle Teams aus Freelancer Experten.
Organisation heute setzt auf Herz, Kopf und Arme aller Beteiligten
Gute Organisation schafft Raum für das, was wir mögen: Erfolg. Genau wie Handlungsroutinen müssen auch Organisationen immer wieder auf den Prüfstand. Wenn die Störungen zunehmen, wenn sich Anforderungen ändern, wenn neue Akteure an Bord kommen – alles Anlässe, mal wieder auf die Organisation zu schauen. Dabei geht es meist nicht um die Jagd nach dem großen weißen Elefanten, sondern um kleine, aber relevante Änderungen. Beispiel gefällig? https://fabnhsstuff.net/about-us Im National Health Service Großbritanniens arbeiten rund 300.000 Menschen an der Verbesserung der Patientenversorgung.
Die menschliche Fähigkeit zur flexiblen Kooperation mit vielen, auch fremden anderen Menschen ist ein echter Glücksfall der Evolution. Und sie hat viele Gesichter. Vor der schnellen Einführung neuer Organisationsmoden lohnt sich ein Blick über den Tellerrand und in den Spiegel. Dann kann es eine gute Idee sein, Cluster, Tribes oder Scrum Teams einzuführen. Aber bitte nicht andersherum. Egal ob in Großbetrieb, Behörde, Verein oder Start-Up.