#Organisation2021
Gabriele Wittendorfer
Hinter all den unter #Organisation2021 genannten Innovationen steht ein gemeinsames Phänomen: Die westliche Arbeitswelt befindet sich in der Spät-Moderne. Aufbauend auf den Massengütern, der Arbeitsteilung, dem Konsummuster und den Märkten der Industriellen Moderne laufen gerade jede Menge Experimente, weil die vorhandenen Formate der Arbeitswelt nicht mehr richtig passen: zu langsam, zu standardisiert, zu eng, zu dreckig. Ein „weiter so“ macht immer weniger Sinn. Was Sinn macht und damit auch Nutzen stiftet, das versuchen Unternehmer*innen auf der ganzen Welt herauszufinden. Im Kleinen und im Großen.
Stichwort Empowerment
- Physikerinnen haben auf der virtuell durchgeführten Neutrino2020 die Erfahrung gemacht, dass sie durch ihre Teilnahme als Avatar das erste Mal richtig dazugehört haben zu dieser Expert*innen Community
- Gucci und Prada (und andere) erleben mit der Einführung von Shadow Boards, bei denen junge Mitarbeiter*innen den Vorstand beraten, wie fruchtbar die Einbeziehung aller Generationen in Entscheidungen sein kann
- Continental zeigt mit dem Aufbau seiner CITI, dass der komplette Umbau der Automobilindustrie nicht mit Massenentlassungen, sehr wohl aber mit Massenumqualifizierungen einhergehen muss
- aula ist eine moderne Form der politischen Bildung: Tool plus Teilnahme – junge Menschen sollen auf ihre Art Gesellschaft mitgestalten
Stichwort Eigentum
- Veeva Systems, ein US-amerikanischer Anbieter von cloudbasierten Software-Lösungen für life science-Firmen ist zu einer Public Benefit Corporation (PBC) Dabei handelt es sich um einen neuen Unternehmenstyp, dessen Eigentümer sich rechtlich bindend verpflichten, seine finanzielle Profitabilität mit positiven Auswirkungen für die Mitarbeitenden, die Gesellschaft und die Umwelt zu koppeln.
- Die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV) ist eine Rechtsformvariante der GmbH. Hier wird eine nachhaltige Wertschöpfung sichergestellt, indem Unternehmer*innen ihre Firma zwar leiten können, aber keinen Zugriff auf den Unternehmensgewinn haben. Als Vorbilder für solche treuhändisch geführte Unternehmen zählen z.B. Bosch, Zeiss, Alnatura, Globus. Diese Pioniere mussten allerdings komplexe Stiftungs-und Gesellschaftsstrukturen bauen. Noch ist der Gesetzentwurf für die GmgV nicht vom Tisch.
Stichwort Nachhaltigkeit
- Die Biomarktkette Alnatura ist nicht nur bei der Rechtsform nachhaltig, sondern auf Nachhaltigkeit basiert ihr gesamtes Geschäftsmodell. Im neuen Alnatura Campus hat sich dieses Selbstverständnis auch im Bürogebäude materialisiert, dessen Außenfassaden aus Lehm gebaut sind.
- Auch elobau, spezialisiert auf berührungslose Sensortechnik, ist seit 2010 (!) klimaneutral.
Stichwort New Work
- emma Matratzen arbeitet mit einer globalen Wertschöpfungskette für den globalen Markt, ohne Hierarchie, ohne Boni und ohne Budgets. Emmas mehr als 700 Mitarbeiter*innen sitzen in Frankfurt, in Lissabon, Manila und Shanghai.
- Die Kaiser Biobäckerei will „richtig gutes brot backen. und außerdem ein kleines bisschen die Welt verändern“ Ihre ca. 300 Mitarbeiter*innen bekommen neben tariflich abgesicherten, unbefristeten Arbeitsverträgen auch Jobrad, Alexander Trainings, Kultur und Pilates bzw. Yoga in den Fitnessräumen der Firmenzentrale.
- Rosenberger OSI stellt innovative Verkabelungsinfrastruktur her und das seit Neuestem in einer Prozessorganisation ohne klassische Hierarchie.
- Der Electrified Powertrain Technology Bereich der ZF Friedrichshafen AG hat die Produktverantwortung von der Verantwortung für die Arbeitsfunktionen getrennt. In einer so genannten Helix Organisation soll das Produktmanagement mehr mit dem Kunden arbeiten und Produkte schneller ausgephast werden können – ohne dass dabei die Mitarbeiter*innen in den Arbeitsfunktionen zur Disposition stehen.
Stichwort Ökosysteme
- „Think global, drink local“ ist das Motto von Chef Steffen Marx und seiner Crew von Giesing Bräu. Die tiefe Verankerung im Münchner Arbeiterstadtteil wird hier inszeniert, so dass es schon lange nicht mehr nur um Bier geht: Crowdfunding, Klamotten, Zubehör (Giesinger Homeshopping-Zeugs) und natürlich auch Bier. Mal schauen, wohin sich dieses Bier-Ökosystem noch entwickelt.
- Auch die Eintracht Frankfurt baut konsequent ihr Frankfurter Fußball-Ökosystem Dabei ist Digitalisierung Trumpf. Mit dem Eintritt zur Eintracht Club Plattform bekommt der Fan weit über den Fußball hinaus alles, was sein Herz begehrt. Timm Jäger von der EintrachtTech GmbH erschließt für die Adler damit mehr als neue Erlöse.